Heimat
Heimat ist ein klassisches Begriffsfeld, das nur mit Bewusstseinsthemen beschrieben werden kann. Beim Begriff Heimat kommt alles zusammen: Die äußere soziale und gebaute Umwelt, die Bewusstheit der Zusammenhänge und vermutlich sehr viel Unbewusstes. Deshalb ist es so schwierig zu erklären, was Heimat ist. Jeder Zugang bringt einen Teil Wahrheit. Wer vom sozialen und materiellen Umfeld ausgeht, bringt Einsichten. Aber wenn die Probleme einer Zeit mit Heimatverlust zu tun haben, ist ein tieferer Ansatz nötig.
Heute haben viele gesellschaftlichen Probleme mit Heimatverlust zu tun. Die Menschen spüren eine innere Leere. Das hat viele Konsequenzen bis hin zu körperlichen Beschwerden. Das Thema fällt in den Bereich Philosophie, Soziologie, Psychologie und eben auch Psychosomatik. Und wenn man noch etwas tiefer geht, kommt man zum Thema Kultur. In einer starken Kultur gibt es wenig Heimatverlust. Wer im Mittelalter Deutschland verließ und sich in Paris niederließ, muss keinen großen Heimatverlust erlebt haben, denn damals war eine starke Kultur über ganz Europa verbreitet.
Heute ist das ganz anders. Heute entsteht das Gefühl des Heimatverlustes, ohne dass man seinen Ursprungsort verlässt. Das kommt daher, dass die Kultur im eigenen Land verloren gegangen ist. Die Menschen suchen dann zuerst einen äußeren Schuldigen, welcher einem die gute alte Zeit weggenommen hat. Dieses Phänomen zeigt sich jetzt extrem deutlich beim Brexit. Viele Engländer spüren, dass ihnen die Heimat verloren gegangen ist. Das sind alles sesshafte Engländer. Sie haben die religiös-kulturelle Einbindung verloren. Das geschah im Wesentlichen durch ein starkes sozialistisches Denken, welches antireligiös orientiert war.Sie haben auch die traditionelle Volkskultur verloren, denn seit hundert Jahren prügeln die Medien den Menschen das Bewusstsein ein, dass Volkskultur etwas ganz Unmodernes und Uncooles ist. Stattdessen wird Konsum und Unterhaltung gepredigt. Wenn hundert Jahre lang diese Propaganda auf die Menschen eingehämmert wird, hat das eine Wirkung. Die Volkskultur wird verlassen. Nun ist sie nicht mehr da: Keine religiöse Kultur, keine Volkskultur.
Und das, was stattdessen als Kultur angepriesen wird, ist ein sinnloser Aktionismus, Verunsicherung durch traditionkritischen Unsinn, abstrakte Kunst als Heilsversprechen und eine gebaute Umwelt, welche mit allen Mitteln die Beziehungen der Menschen untereinander zerstört. Unser kapitalistischen System organisiert diese Beziehungszerstölrung nur teilweise bewusst, aber unbewusst betreiben die Manager der Gesellschaftentwicklung genau das, was den Interessen des Kapitals nützt. Das ist eben die Zerstörung der Beziehungen und der Kultur, weil dann die Menschen einen Ersatz suchen, der ihnen vom Kapital angeboten wird, nämlich Konsum und Unterhaltung. Das läuft weitgehend unbewusst ab, sowohl bei den Machern wie bei den Konsumenten. Und das ist verheerend. Denn niemand weiß eigentlich, wie der Heimatverlust entstanden ist.
Und deshalb hat auch niemand ein wirksames Mittel gegen diesen seelischen Notstand. Die Betroffenen suchen einen Schuldigen. Und interessant ist, dass sie dabei nicht ganz falsch liegen. Das mit der „Lügenpresse“ ist eine unbewusste Expression, denn unsere Presse lügt ja nicht im rationalen Sinne. Sie betreibt aber unbewusst das Anliegen des Kapitals, weil sie eben glaubt, zeitgemäß sein zu müssen. Und zeitgemäß ist die Zerstörung der Beziehungskultur. Ganz unbewusst ist das von der Presse auch nicht, denn sie erhält ihre Annoncen von der Wirtschaft. Ein weiterer Schuldiger wird in der Europaadministration gesehen. Auch hier liegen die Heimatlosen nicht ganz falsch. Europa hat zwar mit seinem Friedensanliegen einen idealen Grund. Aber das, was die Verwaltung macht, dient fast ausschließlich der Wirtschaft.
Das kommt zwar auch den Heimatlosen zu gute, aber die seelische Leere wird dadurch immer größer. Die Kulturhoheit liegt bei den Ländern, was gut ist. Aber die Länder sind auch nur Macher, welche zu den seelischen Momenten der Kultur keine Beziehung haben. Die Europäische Praxis der reinen Wirtschaftförderung ist also tatsächlich ein Grund für die innere Leere bei den Menschen. Wenn beispielsweise Bauvorschriften ausgehandelt werden, bei denen das Seelische keine Rolle spielt, dann hat das seine Auswirkung auf die Bauentwicklung. Auch die gesamte Landschaft durch Photovoltaik, Lufträder und Überlandleitungen zu verschandeln ist ein Heimatverlust. Das muss gesehen werden, auch wenn wir die alternative Energie brauchen. Wir müssen also dringend über Maßnahmen nachdenken, wie man notwendige Eingriffe der Energiegewinnung heimatschonend gestalten kann. Denn es gibt ja viele Möglichkeiten, den Menschen wieder Heimat zu schaffen, auch wenn da und dort Verletzungen entstehen. Genau das aber schafft bisher unsere Kultur nicht.
Man hätte dieses Buch „Geschichte des Bewusstseins – Basis einer neuen Kultur“ auch einfach „Heimat“ nennen können. Denn alles in diesem Buch dient der Schaffung einer seelischen Heimat. Wenn man das so sieht, ist die augenblickliche Brexit-Diskussion unsinnig. Die einen wollen den sofortigen Austritt, die anderen wollen eine sofortige Intensivierung des Europafortschrittes. Das sind alles kopflose Aktivisten. Denn was wir jetzt bräuchten, wäre Ruhe und Zeit für ausführliche Gespräche mit denen, die gegen Europa gestimmt haben – nicht mit den Populisten!. Erst wenn man weiß was die ganz tiefen unbewussten Beweggründe waren, kann man sinnvolle Maßnahmen ergreifen.