Geschichte des Bewusstseins

Basis einer neuen Kultur

Kein Verständnis für die Seele

 

In unserer Zeit gibt es häufig Initiativen für eine ökologische Lebensumwelt. Hier taucht auch meistens eine Tendenz hin zur Gemeinschaftlichkeit auf. Es sind häufig Menschen beteiligt, die einen Sinn für Mitmenschlichkeit haben. Das sind also sehr positive Aspekte unserer Zeit. Und die Beteiligten sagen: Was wollen wir denn mehr?

Einige Menschen in unserer Gesellschaft wollen mehr. Sie wollen noch eine seelische Qualität. Im Unbewussten wollen das wahrscheinlich die meisten Menschen. Sie können auch beseelte Räume wahrnehmen und schätzen. Aber dieser Wunsch steigt nicht bis in die rationale Ebene. In den Zielvorstellungen und Leitbildern mag die Idee der psychologisch aufbauenden Umwelt mitschwingen. Bei der Gestaltung des privaten Umfeldes fließen einige dieser Gedanken auch ein und realisieren sich. Aber merkwürdigerweise werden die Prinzipien des „Bauens für die Seele“ weder analytisch noch planerisch diskutiert und formuliert.

Ich machte eine Erfahrung bei einem internationalen Symposium zum Thema „Orte des guten Lebens“. Hier wurde ich zu einem Vortrag mit einer Exkursion zu dem Modellprojekt Ökosiedlung Bamberg eingeladen. Der Veranstalter hat das Projekt öfters bei Spaziergängen besucht und fand, dass es sehr gut zum Thema passt. Er hat sicher nicht erwartet, dass ich die psychischen Strukturen analysiere. Er hat vermutlich gedacht, dass ich – wie das üblich ist – die Entstehungsgeschichte mit der entstandenen Substanz und die Reaktionen sowohl der direkt Betroffenen als auch die der Umwelt mit den Medien beschreibe. Es war ja ein Projekt, das vermutlich mit der umfangreichsten Betroffenenbeteiligung entstand. Auch bei dem Betrieb der Siedlung haben die Mitglieder des Siedlungsvereins wichtige Aufgaben.

Die Reaktion der am Symposium beteiligten Wissenschaftler war dann auch typisch. Sie bestätigten, dass die Siedlung hohe Qualität zeigt. Aber sie lehnten die Analyse der psychischen Grundlagen ab. Das ist typisch für die ganze Gesellschaft. Auch die Bewohner der Siedlung bezeichnen jetzt nach 30 Jahren Bestand die Siedlung als großen Glücksfall. Und man spürt auch, dass sie die seelische Qualität schätzen. Sie feierte jetzt groß das dreißigjährige Bestehen. Aber wenn sie die Qualitäten mit Worten beschreiben, dann tauchen im Grunde nur die oben genannten Qualitäten wie Ökologie, Gemeinschaftlichkeit und menschliche Beziehungen auf. Die psychischen Grundlagen werden weder zur Kenntnis genommen noch im Reden angesprochen.

Hier haben wir ein grundlegendes Problem des gegenwärtigen Bewusstseins. Weder die Bürger, noch die Medien oder die Wissenschaft wollen etwas von einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der seelischen und geistigen Grundlagen unserer Lebensumwelt wissen. Das ist nicht neu. Von Anfang an meiner Berufstätigkeit wird mir immer wieder bestätigt, dass meine Bauten gut und schön sind. Dann wird aber schnell hinzugefügt, ich solle nicht so viel dazu sagen. Das schreckt nur die Menschen ab. Ich habe mir ja von Anfang an über die psychischen und geistigen Grundlagen des Bauens Gedanken gemacht. Darüber kamen selten Gespräche zustande. Es wird zwar überall gepredigt, wie wichtig eine Stärkung des Bewusstseins wäre. Was dann aber dazu gesagt wird, ist bekannt und üblich. Es scheint vollkommen zu genügen, die Forderung nach mehr Bewusstsein aufzustellen.

Im Buch „Geschichte des Bewusstseins und der Kultur“ werden die möglichen Bewusstheiten analysiert und auf die Formen des Lebens bezogen. Ich mache mir schon Gedanken, was das für eine Gesellschaft ist, in der noch niemand eine Geschichte des Bewusstseins geschrieben hat. Da könnte es doch zahllose Ansätze zu diesem Thema geben. Aber nein – alle Menschen glauben ja, dass sie selbst mit höchstem Bewusstsein ausgestattet sind. Das ist so ähnlich wie mit der Schönheit. Über Schönheit könne man nicht diskutieren, sagt man. Denn jeder glaubt ja zu wissen, was schön ist. Darüber reden, das könne und wolle man nicht. Und so ist es auch mit dem Bewusstsein. Man glaubt es zu besitzen, aber darüber reden, das könne und wolle man nicht.

 

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