Geschichte des Bewusstseins

Basis einer neuen Kultur

Populismus auf deutsch Volksverführung

Wenn man die heutige Gesellschaft nach Bewusstseinsgruppen einteilen möchte, dann kann man drei wichtige Gruppen herausstellen. Das ist die populäre Volksgruppe. Sie ist sicher die größte Gruppe und sie wird in ganz bestimmten Situationen auch als sehr große Gruppe sichtbar. Dann gibt es eine zweite Gruppe, das ist die Wirtschaftsgruppe. In gewissen Zeitabschnitten gehören Mehrheiten zu einem solchen Denken. Diejenigen, welche das wirtschaftliche Denken in den Mittelpunkt des Handelns stellen, könnte man als zweitgrößte Gruppe bezeichnen. Dann gibt es eine dritte Gruppe, das ist die Bildungsgruppe. In dieser Gruppe finden sich die größten Widersprüche von engagiert bis opportunistisch, von spirituell bis materialistisch. Dadurch entsteht eine ständige öffentliche oft konstruktive Auseinandersetzung. Bildung heißt in diesem Sinne nicht in erster Linie Ausbildung sondern Hezensbildung. Ich glaube, diese Gruppe ist die kleinste. Dennoch kann diese Gruppe auch einmal einen mehrheitlichen Impuls in die Gesellschaft hinein tragen. Das ist z. B. heute beim Thema Klima der Fall. Es findet ein Austausch zwischen den Gruppen statt, und auch die einzelnen Menschen können sich manchmal mehr zur einen oder anderen Gruppe gehörig fühlen.

Zwischen diesen Gruppen kann es also die unterschiedlichsten Kombinationen geben. Blicken wir nach Amerika. Hier gibt es nur zwei Parteien. Die größte Gruppe, also die Volksgruppe, ist politisch entscheidend. Sie verfügt aber über keine eigene Partei, neigt also einmal mehr zur einen und dann wieder zur anderen Partei. Die zwei Parteien sind die Republikaner und die Demokraten. Bei den Republikanern fühlt sich mehr die Wirtschaftsgruppe zu hause. Bei den Demokraten gibt es auch einen starken Flügel der Bildungsgruppe. Wenn nun viele Menschen aus der Volksgruppe mit der allgemeinen Entwicklung unzufrieden sind, drängt diese Gruppe zu einer politischen Äußerung. Das kann sie bei einer Wahl zum Ausdruck bringen. Da sie aber keine eigene Partei hat, sucht sie einen Volksführer in einer der beiden großen Parteien. Wenn es einen solchen nicht gibt, kann auch ein Volksverführer zum Sprachrohr werden. Die Volksgruppe sagt dann: Besser einen Volksverführer als gar keinen, der für uns spricht.

Das ist jetzt die Situation in Amerika. In Deutschland hatten wir die Situation 1933. Natürlich ist diese in vielen Punkten nicht mit Amerika vergleichbar, denn Amerika hat eine stabile Demokratie, was eben damals in Deutschland nicht der Fall war. In Amerika wird dieser populistische Schub einen großen Lernprozess auslösen. In sofern kann man in der jüngsten amerikanischen Entwicklung auch Positives sehen. Nun aber zurück in unser Land. Bei uns gibt es viele Parteien. Unzufriedene aus der Volksgruppe können sich also in einer Partei versammeln. Das ist bei uns die AFD. Die plakativen Programme der AFD entsprechen nicht der Mehrheit des Volkes. Aber man sollte diese Programme sehr ernst nehmen. Denn wenn man sie nicht versteht und verarbeitet, kann ein großer politischer Schaden entstehen.

Wenn ich die drei beschrieben Gruppen als Bewusstseinsgruppen betrachte, kann ich aus der gegenwärtigen Situation verschiedene Konsequenzen ziehen. Hier erwähne ich noch einmal die Unterscheidung von Bewusstsein und Bewusstheit. Beim Begriff Bewusstsein ist Unbewusstes und klar Bewusstes enthalten. Beim Begriff Bewusstheit handelt es sich nur um Bewusstseinszustände, welche rational erfasst sind. In diesem Sinne haben alle drei Gruppen Bewusstsein. Bei der Wirtschaftsgruppe und der Bildungsgruppe ist die Bewusstheit aber stärker ausgebildet. Die Volksgruppe entscheidet häufig aus dem „Bauch“ heraus, das heißt unbewusst. Besonders von der Bildungsgruppe muss man erwarten, dass sie politische „Bauchentscheidungen“ der Volksgruppe nicht ebenso unbewusst einfach nur mit Gegendemonstrationen beantwortet. Dadurch verhärten sich politisch die Fronten. Es wird die Chance vergeben, dass Vertreter der Volksgruppe, von denen ja viele lernfähig sind, in weiterführende Gespräche eingebunden werden und dass die beiden anderen Gruppe durch die Gespräche etwas lernen.

Populistische Entscheidungen der Volksgruppe entstehen ja nur, wenn sich die Menschen dieser Gruppe von den bewussteren Teilen der Gesellschaft unbeachtet und vergessen fühlen. Die bewussteren Teile der Gesellschaft stehen an den Hebeln der Wirklichkeit und sie haben auch einen wesentlich besseren Draht zu den Medien. Es kommt also darauf an, dass besonders die Bildungsgruppe tiefer in das kollektive Unbewusste der Volksgruppe einsteigt. Und da unten gibt es vieles zu entdecken. Da gibt es materielle Ängste. Diese muss man zur Sprache bringen. Man dachte, dass diese Ängste am besten von der sozialdemokratischen oder linken Partei aufgenommen würden. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Also schauen wir uns einmal die fünf Parteien an, welche bisher eine Rolle gespielt haben: CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke. Alle fünf Parteien argumentieren materiell. Die fünf Parteien kann man nach bisherigen Kategorien gut in rechts und links einteilen. Die rechten reden für die Wirtschaft, die linken für die sozialen Anliegen. Allen gleich ist aber, dass sie fast ausschließlich materiell argumentieren. Nun kommt plötzlich eine neue Partei, die in das alte Schema nicht mehr passt. Denn ist diese neue Partei nun eigentlich rechts oder links? Sie spricht doch nicht für das Kapital sondern für Schichten, die vom Kapital vergessen wurden. Aber sie hat trotzdem nationale Ideen, die wir bisher rechts eingeordnet haben.

Wir müssen also bewusstseinsmäßig eine völlig neue Unterscheidung treffen. Die AFD ist die einzige Partei, bei welcher seelische Themen eine Rolle spielen. Alle anderen Parteien schütteln den Kopf und sagen: Uns geht es doch so gut wie nie in der Geschichte! Rein materiell haben sie ja recht. Aber seelisch geht es uns so schlecht, wie noch nie in der Geschichte. Die AFD ist die einzige Partei, welche das zur Sprache bringt. In der politischen Landschaft lässt nur die AFD den Verlust der abendländischen Kultur anklingen. Wenn sich große Teile die Volksgruppe nicht an die Parteien wenden, welche für die sozialen Probleme zuständig sind, dann muss das einen wichtigen Grund haben. Die beiden linken Parteien haben traditionsgemäß wenig Zugang zu tieferen seelischen Wirklichkeiten. Die Probleme der Volksgruppen sind zwar in großen Teilen auch materiell, aber die Tatsache, dass sich diese Volksgruppen nicht an die linken Parteien wenden sondern an eine, die wir üblicherweise rechts einordnen, zeigt doch deutlich, dass hier noch ganz andere Ebenen eine Rolle spielen. Und das sind tiefere unbewusste Strukturen im kollektiven Bewusstsein des Volkes. Man kann zwar kritisieren, dass die AFD gegenüber den Flüchtlingen lieblos wäre. Aber hier entsteht bei dieser Partei ein innerer Konflikt. Denn die Bereitschaft, den Flüchtlingen zu helfen wird duirch die Tatsache blockiert, dass die Kultur der Flüchtlinge den Verlust der abendländischen Kultur noch verstärkt.

Der heutige Mensch ist seelisch leer, jedenfalls wesentlich leerer als Menschen früherer Generationen. Was also hat die früheren Menschen innerlich angefüllt im Gegensatz zu heute. Früher – vor der Fernseh-Internet-Zeit – erfuhren die Kinder Geschichten, welche in hochsensiblen und mystischen Phasen entstanden sind. Das waren Geschichten aus dem Alten Testament, es waren Gleichnisse von Jesus, es waren Lebenswege von Jesus und anderen heiligen Personen. Dazu kamen Sagen, Mythen und Märchen, welche ebenfalls in einem Geist des mystischen Denkens entstanden sind. Diese Geschichten haben alle, auch wenn sie teilweise unterhaltsam sind, einen tieferen Weisheitskern. Mit dieser Weisheitssubstanz wurde das Unterbewusstsein der Menschen aufgefüllt. Man kann auch vielen Teilen der wertvollen Literatur diese Qualität zusprechen. Die Menschen waren eingebunden in eine traditionelle Volkskultur, in deren Tiefe auch viel Sinn zu finden ist.

Nun fragt es sich, was gibt es von diesen Substanzen heute noch? Der Mensch scheint sich von seinem Wesen her leer zu fühlen, wenn sein Unterbewusstsein nicht mit diesen Werten gefüllt wurde. Welchen Wert besitzen nun diejenigen Informationen, welche die Menschen in den letzten 100 Jahren aufgenommen haben? Kennen Sie irgend ein modernes Kunstwerk der letzten 100 Jahre mit einer tieferen aufbauenden Substanz? Es gab zwar einzelne Arbeiten für die Bildungsschichten, aber das, was an das breite Volk gelangte, war nur provokativ oder oberflächlich und unterhaltsam. Darüber sollten wir einmal ausführlich nachdenken.

Ich denke da an einen sehr interessanten Effekt etwa um das Jahr 2000. Da kam das Feng shui auf. Das war eine spirituelle Bewegung, welche nicht auf unserer eigenen Kultur basierte. Sie war nicht intellektuell sondern eher bildorientiert. Dadurch, dass es auch fundamentalistische Züge besaß, kam es dem Bewusstseinszustand des breiten Volks entgegen. Es wurden Feng-shui-Siedlungen gebaut. Und an allen Volkshochschulen gab es Vorträge und Kurse zu diesem Thema. Ich erinnere mich an eine Ökologietagung, die von einem Landratsamt organisiert wurde, an der ich auch einen Vortrag hatte. Da gab es zeitgleich zu meinem Vortrag einen Feng shui Vortrag. Damals gab es keinen geeignet großen Saal, um all die Interessierten aufzunehmen, während mein klassischer Ökologievortrag sehr sparsam besucht blieb. Das Feng shui hatte versteckt ganz gute Ansätze, aber vordergründig war es klassisch populistisch. Es versprach Dinge, die es niemals halten konnte. Deshalb verschwand es auch ebenso schnell, wie es gekommen ist. Wichtig ist aber festzustellen, das Gedankenansätze, welche tieferes Wissen versprechen, eine tiefe Sehnsucht der Volksgruppe ansprechen.

Die Bildungsgruppe konnte mit Feng shui nichts anfangen. Sie hat eben kaum ein Verhältnis zur tieferen seelischen Wirklichkeit. Sie konnte die versteckte Qualität von Feng shui nicht erkennen. Und deshalb blieb eine Diskussion auf dieser Ebene aus. Und die Bildungsgruppe kann auch heute nicht verstehen, was dem Volk an tieferer Substanz fehlt. Sie versteht die seelische Leere des Volkes nicht. Diese Bildungsgruppe kann deshalb auch nicht begreifen, dass Menschen aus dem Volk sich aus dem gleichen Grund für den „Islamischen Staat“ engagieren. Die Bildungsgruppe selbst ist seelisch leer und vielleicht dazu noch überheblich. Und damit hat sie keinen Zugang zur seelischen Sehnsucht des Volkes. Wenn Stimmen aus der rechten Volksbewegung den Verlust der abendländischen Kultur beklagen, dann sollten doch diejenigen aus der Bildungsgruppe, welche philosophisch und psychologisch denken können, hellhörig werden. Dann sollten sie über eine neue aufbauende abendländischen Kultur nachdenken.

Früher waren für die tiefere Weisheit die Kreise der Kulturschaffenden zuständig. Dazu gehörten die Kirchen. Das Volk versteht seelische Mitteilung nur über Bilder und andere sinnliche Medien. Seit Beginn der Neuzeit wurde die Bildersprache abgebaut. Das begann gleich mit einem Bildersturm. Und dann hat sich die volksnahe Predigt immer mehr auf das Wort konzentriert. Das entfremdete das Volk von sich selbst, jedenfalls im evangelischen Bereich. Es ist ja interessant, dass in katholischen Regionen die AFD nicht so stark ist. Für eine echte tiefe Kultur wären die kulturellen Medien zuständig gewesen. Sie hatten einmal die spirituellen Werte vermittelt. Die Kultur aber entwickelte sich zu Prestigeobjekten, zum Ausweis gehobener Lebensführung, dann zum Protestmedium und schließlich zur reinen Unterhaltungsbranche.

Da stehen wir jetzt und das Volk hat die meiste seelische Substanz verloren. Ich habe in meinem Buch die Situation von vor 2000 Jahren beschrieben. Damals war das Bewusstsein ganz ähnlich wie heute. Wir hatten auch die drei Bewusstseinsgruppen, die Volksgruppe, die Wirtschaftsgruppe und die Bildungsgruppe. Das Volk war seelisch ausgehungert. Die alten Religionen konnten nicht mehr überzeugen. Da kam das Christentum. Die Lehre Jesu hatte nicht nur tiefere Substanz, sondern diese wurde körperlich und sinnlich in liebevollen Gemeinschaften vermittelt. Das verstand das Volk. So war auf friedlichem Weg nach einigen Jahrhunderten fast das ganze alte römische Reich christlich.

Heute können wir nicht davon ausgehen, dass die Vermittlung der Weisheit an das Volk von der Kirche ausgeht. Die Kirche hat ihr Verhältnis zur Kultur verloren. Man kann zwar vermuten, dass sich die Kirche oder Teile von ihr noch wandeln. Aber alle Träger der Kultur mit wacher Bewusstheit können ja anfangen Kultur mit tieferer Substanz zu produzieren und öffentlich anzubieten. Das war auch vor 2000 Jahren nicht anders. Da haben auch nichtchristliche Kräfte eine tiefe Kultur gefördert. Und deshalb sollten jetzt alle, welche ein Kulturbewusstheit besitzen, sich zusammen setzen, um über eine spirituelle aber gut verständliche Bilderkultur miteinander zu reden.

Wir können also wissen, was man tun müsste, um die Ängste der Volksgruppe abzubauen. Es müsste nämlich erst die Bildungsgruppe selbst ein tieferes Verhältnis zur Substanz der Seele finden. Dann könnte sie über die Medien eine Kultur mit Werten verbreiten. Das wäre eine Kultur, welche das Unbewusste anspricht. Die Werte kennen wir eigentlich. Wir brauchen nur ein paar alte Geschichten, oder das Grundgesetz oder Texte zu den Menschenrechten lesen. Allerdings dringt so etwas mit rationaler Rede nur schwer in die Tiefe des Menschen ein. Dazu braucht man ein Medium, das von der Seele verstanden wird und auch Freude oder Emotion verbreitet. Ich habe ja schon Aristoteles zitiert, welcher sagte, dass die Seele in Bildern denkt. Also müssen wir als Medium sinnliche Mittel verwenden wie Theater, Umfeldgestaltung, Malerei, Tanz. Joga, Meditation, Lebensrituale etc. Das sind ja auch die Medien, mit denen die alte Kultur gearbeitet hat. Das geht natürlich nicht historistisch sondern nur mit moderner seelischer Kraft. Ich glaube, die modernistische Kultur der letzten hundert Jahre können wir weitgehend vergessen. Wir müssen eine Kultur mit Weisheitswert neu entdecken und entwickeln. Mit ganz leeren Händen stehen wir hier nicht da.

 

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