Bewusstsein ist ein Bilderbuch
Eine wesentliche Aussage meines Ansatzes lautet, dass Form dem Bewusstsein folgt.Das gilt auch umgekehrt, dass Bewusstsein der Form folgt. Das Bewusstsein baut sich vorwiegend aus Bildern auf. Schon Aristoteles hat gesagt, dass die Seele in Bildern denkt. In der Kindheit entwickelt sich das Bewusstsein aus Bildern von Vater, Mutter, Kind, Haus und Hof. Ähnlich ist es in der archaischen Phase des Kulturkreises. Hier baut sich das Bewusstsein aus Erfahrungen von Völkerwanderung, Sesshaftwerdung, Hierarchieentwicklung, Machtkämpfen, Magie, Angst etc auf. Das sind alles Bilder, die dann teilweise in der mythologischen anschließenden Phase aufgeschrieben werden.
Ich will einmal versuchen den Bilderanteil am Entstehen und der Substanz des Bewusstseins prozentual zu beschreiben. So glaube ich, dass durchschnittlich der Bilderanteil am Bewusstsein etwa 80% ausmacht. Auf die übrigen Sinne besonders das Hören wie den Sprechcharakter und die Musik entfallen dann noch 10%. Und so bleiben für die rationale Wortübertragung nur 10% übrig. Das dürfte natürlich bei den verschiedenen Situationen und Menschen sehr verschieden sein. In der Kindheit und der archaischen Phase dürfte der rationale Anteil noch geringer sein. Bei einem heutigen Philosophen dürfte dagegen der rationale Anteil wesentlich größer sein. Nun das mit den Prozentzahlen ist natürlich nur ein Bild, das man auch anders sehen kann.
Hier soll nur heraus gestellt werden, dass das Bewusstsein im Wesentlichen über die Sinne entsteht. Und eine Bewusstseinsforschung müsste sich deshalb mit den Sinnen beschäftigen. Wenn ich in die philosophische, psychologische und die bewusstseinsmäßige Literatur blicke, finde ich kaum Bilder. Das war früher anders. Jesus von Nazareth hat beispielsweise fast durchwegs in Bildern gesprochen. Er hat auch spirituelle Rituale in eine starke Bilderwelt eingebunden. Das hatte eine bewusstseinsmäßige Wirkung. Wir könnten heute mit unseren Publikationstechniken auch mit dargestellten Bildern arbeiten. Denn eigentlich alles, was und täglich umgibt, sind Bilder, welche Bewusstsein ausdrücken. Ein trauriges Gesicht, die Körperhaltung, die Kleidung, die Atmosphäre im Büro, die Wohnungseinrichtung, der Urlaubsort etc. Gibt es denn irgend etwas in unserem Leben, was ohne Bilder daher kommt? Selbst wenn ich einen philosophischen Artikel in der Zeitschrift „DIE ZEIT“ lese, habe ich das große Format in der Hand, welches ein Gefühl der Wichtigkeit und Größe vermittelt.
Ich will darauf hinaus, dass die Bewusstseinsforschung Bilder braucht. In meiner Forschung waren die Bilder die eigentlichen Schlüssel für die neuen Strukturen. Jedes Bild, jedes Phänomen, besonders die von Menschen gemachten Bilder, sagen etwas über das Bewusstsein aus. Die Betrachter verstehen das unbewusst und werden so von den Bildern beeinflusst. Die Aufgabe der Bewusstseinsforschung besteht nun darin, alle Bilder unseres Lebens als Symbole zu verstehen. Der tiefere Inhalt der Bilder muss nun mit rationalen Worten beschrieben werden, so wie auch ein physikalischer Prozess mit rationalen Worten beschrieben werden muss, wenn man mit dem Vorgang konstruktiv umgehen will. Das ist die Aufgabe unserer Zeit. Frühere Zeiten hatten eine andere Art mit dem Bewusstsein umzugehen. Und wie wir aus der Geschichte wissen, waren das nicht immer positive Aktionen.
Die Rationalität ist unverzichtbar, auch wenn man dabei nicht auf Intuition verzichten kann. Denn das Herausfinden des Inhaltes eines Symbols ist ja häufig mit rein intellektuellen Mitteln nicht möglich. Ich will natürlich den rationalen Zugang nicht klein machen. Wenn man tausende archäologische Bilder einer gleichen Zeit nebeneinander legt und diese vergleicht, dann kann man zu erstaunlichen Erkenntnissen kommen. Zu diesen Bildern gehören natürlich auch die Bilder und Inhalte aus Soziologie, Philosophie, Psychologie, Geometrie und die Klänge aus der Musik, dem Theater etc. Dieses Vergleichen und Herausfinden der Ähnlichkeiten erklärte den Bewusstseinsinhalt der Bilder.
Nehmen wir das Beispiel eines traurigen Gesichts. Die meisten Menschen spüren intuitiv, dass hier eine traurige Stimmung zum Ausdruck kommt. Nun kann es natürlich vorkommen, dass ein bestimmter Gesichtsausdruck vorhanden ist, dessen dahinter stehende Bewusstseinslage nicht intuitiv erkannt wird. In diesem Fall kann man rational an die Lösung herangehen. Der wissenschaftliche Weg wäre, viele Menschen mit diesem Gesichtsausdruck zu befragen, was sie in jüngster Vergangenheit erlebt haben. So wird man vielleicht eine signifikante Häufung einer bestimmten Situation feststellen. Je mehr Fälle behandelt werden, desto sicherer wird man wissen, was hinter dem besonderen Gesichtsausdruck für eine Bewusstseinslage steht. So kann man mit allen Bildphänomenen umgehen.