Geschichte des Bewusstseins

Basis einer neuen Kultur

Ursachen der neuen Rechtsbewegungen

Gesellschaftlich habe ich mehr ein Verständnis für linke und grüne Positionen. Durch meine Beschäftigung mit der Geschichte des Bewusstseins habe ich aber Gelegenheit, gesellschaftliche Phänomene psychoanalytisch zu verstehen. So komme ich hier zu einer Einschätzung, welche dem augenblicklich veröffentlichten links-liberalen Denken nicht entspricht.

 Die 68er Bewegung hatte zwei Seiten: Eine materielle geschichtsverlorene und eine ökologisch kulturelle. Beide Seiten übten Kritik an der Kriegsgeneration. Die Seite der materiellen Denkstruktur hat dann aber zur totalen Vergangenheitskritik geführt. Man hat das Kind mit dem Bad ausgeschüttet, in dem man gleich die ganze Geschichte des Abendlandes vergaß unbd als Belast betrachtete. Interessant aus der Geschichte waren nur noch Aktion-Thriller, die zur Unterhaltung der Menschen verbreitet und verkauft wurden. Man wollte ausschließlich modern sein. Die Psychoszene hat das noch mit dem Sclagwort voren „Hier und jetzt“ unterstützt. Damit ist die Beziehung zur Kultur des Abendlandes total verloren gegangen. Der kulturlose Zustand hat eine innere Leere erzeugt, welche mit Konsum und Unterhaltung gefüllt wird. Es gibt in diesem Zusammenhang viele weitere Bereiche, mit denen man die Leere auffüllen will: Das ist die Sucht nach öffentlichem Erfolg, die Bemühung um wirtschaftlichen Aufstieg, die Reiselust, die Welt zu sehen, den Erholungsluxus und vieles mehr.

 Das befriedigt auf die Dauer nicht. Es wird also neu nach einer abendländischen Kultur gefragt. Die liberalen aufgeklärten Bildungskreise, welche von dem materiellen Impuls der 68er Bewegung am meisten geprägt sind, hängen in ihrem Denksystem fest. Die einfacheren Kreise, welche vom Bildungssystem weniger verbildet wurden, spüren deutlicher den Verlust der Kultur, auch weil sie weniger Kompensationsmöglichkeiten haben. Dadurch entsteht das Gefühl, von der Gesellschaft vergessen und benachteiligt worden zu sein. Es genügen äußere Symbole, um diese Verlustlage zu spüren, und dann als Wutbürger auf die Straße zu gehen. Das war z. B. die Einwanderung und Überfremdung durch Moslems. Gerade in den Landesteilen, in denen das Christentum durch die Nazizeit und den Sozialismus schon weitgehend verloren ging, war der Verlust einer Identität besonders spürbar. In Westdeutschland sind die Kreise, die sich im Osten dem Rechtspopulismus anschließen, noch stärker kirchlich geprägt und besitzen dadurch eine gewisse kulturelle Identität.

 Das gilt z. B. für Bayern, in dem der Katholizismus noch eine feste Größe ist Das muss nicht unbedingt die christliche Religion sein, das kann auch einfach die traditionelle Heimatorientierung und die Orientierung an alten Bräuchen sein. Die Menschen sind in viele gesellschaftliche Rituale und Vereine eingebunden. Dadurch bleibt eine gewisse seelische Ortsverbundenheit erhalten. Aber in den östlichen Ländern ebenso wie in den osteuropäischen Ländern steht der seelischen Leere wenig Traditionssubstanz gegenüber. Es bleibt in diesen Regionen also nichts anderes übrig, als alte Nationaltätsideen neu aufzugreifen. Das kann man als eine Rechtsbewegung beschreiben. Die Kultur der letzten 40 Jahre hat sich die Aufgabe gestellt, die Menschen zu verunsichern, Kultur als sinnfrei vorzustellen,  banale oder aggressive Töne anzuschlagen und Aktion als Lebensinhalt zu vermitteln. Dieser sinnlose Modernismus hat seine katastrophale Wirkung erzeugt.  Die Leere, welche unbewusst empfunden wird, sucht einen Ausweg. Dabei wird sie von der herrschenden Klasse nicht verstanden und unterstützt. Diese Problemsituation wird von Rechtspopulisten schamlos ausgenützt.

 Die Suche nach einem Ausweg aus dem tieferen kulturellen Verlust, welche in der Rechtsbewegung steckt, ist berechtigt und notwendig. Wenn so Rechtsbewegung an Stärke gewinnt, gibt es Mängel bei deren Anhängern aber auch Mängel bei der bisherigen Trägern der gesellschaftlichen Führung. Die herrschenden Parteien müssen das durchschauen. Das ist ein großer Bewusstseinsakt. Wenn die bewussteren Gesellschaftsklassen die innere Leere und Kulturlosigkeit unserer Zeit durchschaut haben, können sie auf höherer Ebene die bisherige Politik in vernünftiger Weise ändern.

 Die oben erwähnte zweite Seite der 68er Bewegung, nämlich die des kulturellen Bewusstseins, hat sich nicht durchgesetzt. Dass jetzt einiges von den Rechtspopulisten zurecht gerückt werden muss, ist traurig. Man muss die negativen Aspekte der Rechtsbewegung deutlich benennen. Das ist vor allem der überholte Nationalismus und die Fremdenfeindlichkeit. Aber man kann den tieferen Kern der Rechtsbewegungen nur mit einem neuen Kulturbewusstsein berühren. Kultur ist die Vermittlung tieferen Wissens und Lebenssinn mit kulturellen Mitteln. So jedenfalls sollte man Kultur definieren. Wenn nun die Kultur das Medium ist, welches Identität vermitteln sollte, dann fragt es sich, welche Institution des öffentlichen Lebens diese Vermittlungsaufgabe übernimmt. Die Kirchen hatten früher diese Aufgabe und wären an sich die ersten Ansprechpartener. Ihre Prägekraft ging aber seit der Aufklärung mehr und mehr verloren. Ob sie sich nun stark macht, an der gegenwärtige Kulturlosigkeit zu arbeiten, ist offen. Denn bisher möchte sie ihre Zeitgemäßheit dadurch bewisen, dass sie sich äußerlich an die Kulturlosigkeit anpasst. 

 Wie steht es mit den christlichen Parteien? Diese sind zu sehr am Liberalismus und am „laufen lassen“ interessiert, weil das ihrer Klientel am meisten nützt. Von da her wird man hier nur wenig tiefe Kultur und Identitätsförderung erhalten. Wie steht es mit der SPD? Diese müsste eigentlich das größte Interesse an einer neuen Idee der Identitätsbildung haben, denn dieser Partei laufen die Angehörigen der nichtakademischen Berufe in Massen weg und lassen sich bei der AfD wieder finden. Das Problem dabei ist, dass die SPD keine Kultur-Partei ist und deshalb kaum für das Entwickeln einer neuen Kultur das Personal hat. Dann kommen die Grünen in das Visier. Diese hätten die personellen Voraussetzungen. Der Aufwind der Grünen in letzter Zeit könnte in diese Richtung weisen. Sie könnten an einer neuen Kultur arbeiten, welche nicht fremdenfeindlich und egozentrisch ist. Und zuletzt die AfD. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die positiven Kräfte in der AfD langsam von den Populisten und Egozentrikern trennen. Dann wären sie koalitionsfähig mit anderen Parteien und könnten zum notwendigen kulturellen Umschwung beitragen.

 Man sollte die feinen Töne bei der AfD nicht überhören. Hier ist vom Abendland die Rede. Das sollte man nicht lächerlich machen, sondern man sollte selbst einmal gründlich darüber nachdenken, ob es nicht wirklich die Kultur des Abendlandes ist, welche verloren gegangen ist. Es sind nur wenig Zeichen sichtbar, dass die Medien und die Politik sich an eine Rückbesinnung machen. Je mehr man auf die AfD einschlägt, desto strammer wird das Gemeinschaftsgefühl für den Widerstand gegen die herrschende Gesellschaft. Man muss die positiven Aspekte der AfD heraus greifen und in die eigene Zielsetzung einbauen.

 Ein weiterer Ton der AfD ist beispielsweise die Angst vor Überfremdung. Die vielen Fremden im Land sind das äußere Symbol für die innere Selbstentfremdung. Mit der äußeren fremden Welt wird die innere Entfremdung bewusst. Wer eine starke seelische und geistige Kraft besitzt, muss keine Angst vor Überfremdung haben. Aber wenn schon das Selbstbewusstsein äußerst schwach ist, stellt jeder Fremde eine akute Gefahr dar. Das müssen die Medien und die führenden Kreise verstehen. Das tun sie aber nicht. Deshalb geistert das Schimpfwort von der Lügenpresse im Raum herum. Was anders als eine tragfähige Kultur kann dieses Problem lösen? Das ist eine große Aufgabe der angeblichen Kulturnation, den Menschen wieder eine Kultur anzubieten, die nicht verunsichern will, sondern welche tieferen Sinn vermittelt.

Alle neuen Parteien, welche in den letzten Jahrzehnten auftauchten und sich halten konnten, waren eher konservative Bewegungen. Die Grünen wollten die Natur, die Gesundheit und den Frieden erhalten. Das ist eine konservative Zielsetzung. Die Linken wollten soziale Standards erhalten. Auch das ist eine konservative Zielsetzung. Die AFD will die abendländische Kultur erhalten. Das ist eine konservative Zielsetzung, welche grundsätzlich ähnlich wie die der anderen neuen Parteien positiv ist. Bei den Grünen und den Linken gab es Fundis und Realos. Durchgesetzt haben sich mit der Zeit die Realos.

 Bei der AFD ist das nicht anders. Im Augenblick sind da noch die Radikalen in der Übermacht. Aber es ist doch nicht unwahrscheinlich, dass sich irgend wann einmal diejenigen durchsetzen, welche an einer echten neuen und geschichtsorientierten Kultur interessiert sind. Eine solche Zielsetzung kann langfristig mehrheitsfähig sein. Die alten Parteien können die rechte Entwicklung nur bremsen, indem sie die Ursachen der rechten Entwicklung erkennen und beispielsweise das Bedürfnis nach einer tragfähigen Kultur in die eigene Arbeit aufnehmen. Parteien, die weiterhin existieren wollen, müssen an einer neuen geschichtlichen Beziehung und einer neuen Kultur arbeiten. Das ist das Kriterium für die Zukunft der Gesellschaft. 

Das neueste interessante Beispiel ist der Brexit in England. Die Europa-Gegner stammen aus Kreisen, die sich beim wirtschaftlichen Aufschwung vernachässigt fühlen und welche keine rechte Identität, also keine kulturelle Einbindung, besitzen. Sie haben das Gefühl, dass sie doch den letzten Krieg gewonnen haben, dass es aber den damaligen Verlierern inzwischen besser geht.  Sie suchen einen  Schuldigen und finden ihn in der Europadiktatur. Sie wollen zurück zum „Great Britain“ und glauben damit eine bessere Identität zu erhalten. Das war eine Wahl der verletzten Seelen.  Die Euro-Befürworter hatten nur rationale Argumente. Das steigerte noch die seelische Verletzung. Man muss den Menschen einen Lebenssinn  und ein Gefühl der inneren Stärke geben und das geht nur mit einer neuen starken Kultur. Die heutige Verwirrung stiftende Kultur ist Ursache der fehlenden Selbstsicherheit.

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